03.07.2023
Sommerfrische

Gedanken von Hanna Kasparick, Pfarrerin im Ruhestand

Sommerfrische - ich mag dieses Wort. Es schmeckt nach Salz auf der Haut, es riecht nach Kiefernduft. Sommerfrische, das sind kräftige Farben: roter Mohn, blaue Kornblumen, türkisfarbenes Meer. Kräftiges Türkis zeigt auch ein Foto. Es fesselt meinen Blick und erinnert mich an das Staunen, das mich erfasste, als ich das erste Mal am Mittelmeer war. Andere Fotos hängen daneben. Feine Strukturen sind zu sehen, ein Spiel körniger Oberflächen, braun, blau, grün. Erst auf den zweiten Blick wird der Eindruck von Sommerfrische gebrochen. Was ist hier von der Linse des Fotografen eingefangen? In einer Vitrine liegen Flip-Flops. Nein, keine Paare. Einzelstücke. „… das Wasser war viel zu tief. 1001 Odysseen“ nennt der Künstler Winfried Muthesius seine Serie von Fotografien, die gerade in der Stiftung Christliche Kunst Wittenberg zu sehen ist. An den Stränden der Kapverdischen Inseln hat er diese Einzelstücke aufgesammelt; dort, wo sie verloren oder angespült wurden. Flip-Flops, die Fußbekleidung der Badelustigen, aber auch die der Armen und der Flüchtlinge. Wie können sie weitergehen mit nur einem Schuh? Der Künstler zeigt uns seine sehr persönliche Perspektive auf das Thema Flucht und Vertreibung. Im Mittelpunkt stehen auf eine einfühlsame, verborgene und doch gleichzeitig unmittelbar nahe Weise diejenigen, die wir mit ihrem harten Schicksal oft nicht sehen; diejenigen, die uns so oft nur als Flüchtlingszahlen und Bedrohung unseres Wohlstands erscheinen. Die Fotos sehen mich an. Wie verhalte ich mich?
In dieser Woche geht es auch um Sommerfrische, um eine besondere Sommerfrische der Mitmenschlichkeit. Wir hören wieder, was der Apostel Paulus in einem seiner Briefe schreibt: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“